Hermann J. Huber
Der Triumph über die Abgründe

Er ist Deutschlands provokantester schwuler Maler. Oliver Estavillo entlarvt Narzissmus, Selbstbespiegelung und Oberflächlichkeit einer sich befreit geglaubten Gay-Generation. Er mutet seinem Betrachter den Blick hinter die Kulissen zu. Paradiese sucht man bei ihm vergebens. Die stehen im Museum. Und trotzdem haben seine Bilder etwas von Urgewalt, Ursprünglichkeit, etwas Reines, ja fast Sakrales. Es sind Bilder gegen die Lüge.

Oliver Estavillo ist ein Maler, der die seelischen und sexuellen Abgründe einer Trendgesellschaft auf der Suche nach dem Extremkick seziert und enttabuisiert. Er schlüpft dabei in die Rolle eines Psychoanalytikers und wird manchmal sogar zum Pathologen. Ganz natürlich, dass er dabei mit seinen Werken über Kannibalen und Serienkiller als “Mords-Maler” selbst zur Schlagzeile wird – und das in Deutschlands größter Tageszeitung “Bild”. Jugend-, Piercing- und Fetisch-Wahn, Mode-Horror, Balzgehabe, die Sucht nach dem obligatorischen Waschbrettbauch, vor allem aber die Hohlköpfigkeit untereinander treibt Oliver Estavillo um, wenn er den Hunger nach neuen Bildern verspürt. Dieser Hunger gegen übertriebene Lebensgier, Spießertum, Dummheit und Ignoranz lässt ihn nicht müde werden, nach Abgründen zu suchen und über sie mit seinen Bildern zu triumphieren.

Hermann J. Huber († 2009)